If you had one wish for Bulgaria - what would it be?

,,Sie sind da! Kommt, wir müssen runter." - Charlottes Worte treffen beim Team eher auf mäßige Begeisterung. Nach dreieinhalb Stunden Steine hin- und herfahren, anschließendem Mittagessen, Haus aufräumen und putzen, ist das Bett leider viel zu gemütlich, um es jetzt schon wieder zu verlassen.
Am Treppenabsatz angekommen, verfliegt allerdings meine Müdigkeit schnell wieder und an ihre Stelle tritt Freude über unsere Gäste, sowie Neugier und Interesse an dem, was sie zu erzählen haben.
Für die zwei Monate unser Zuhause & Gemeinde

Zu Besuch: die Pastorenfamilie, ein niederländisch/bulgarisches Missionarsehepaar inklusive Baby und vier junge Amerikaner. Jene sind, ähnlich wie wir, für eine kurze Zeit als Team zusammengestellt worden, um in Bulgarien Kidscamps zu veranstalten. Teil des Teams ist auch Katia, die älteste Tochter des Pastors, durch die der Kontakt erst entstand.
Obwohl ich mich immer freue, Amerikaner zu treffen, interessiert mich heute besonders die Geschichte der gleichaltrigen Bulgarin.
Als älteste Tochter eines evangelischen Pastors in einem kleinen Dorf eines traditionell orthodoxen osteuropäischen Landes, hatte sie es sicher nicht immer leicht.

Die Rolle der Pastorentochter verlangt einem manchmal ganz schön viel ab. Jeder weiß um diese Rolle und hat dementsprechende Erwartungen. Man wird, bewusst oder unbewusst, beobachtet und bewertet und soll sich immer gut und tadellos benehmen.
Trotzdem ändert auch das beste Benehmen manchmal nichts daran was die Leute von dir denken. Obwohl der Pastor in diesem Dorf aufgewachsen ist und schon seit fünfzehn Jahren mit seiner Frau hier die Gemeinde leitet, ist diese bei Vielen im Dorf immernoch als Sekte verrufen. Nicht zu unterschätzen sind wohl auch immer noch die Auswirkungen des Kommunismus, der auch hier jahrelang das Christentum zu bekämpfen versuchte.

Zu den Kidscamps, die Katia schon seit Jahren jeden Sommer macht, hat sich in acht Jahren einer ihrer Schulkameraden einladen lassen.
Diese Abneigung der Gemeinde gegenüber ändert aber nichts daran, dass die Leute wissen, dass sie Christen sind und deswegen niemanden der Hilfe braucht wegschicken würden. So gut und wichtig das christliche Prinzip der Nächstenliebe und des Gebens ist - es führt leider manchmal dazu, dass die Leute sich das für ihre eigenen Zwecke zunutze machen.

Die meisten Bulgaren sind orthodoxe Christen, wobei das für sie weniger als Religionszugehörigkeit, sondern vielmehr als Volkszugehörigkeit verstanden wird.
In Bulgarien leben einerseits die orthodoxen Bulgaren, andererseits die Roma/ Zigeuner, die sich, obwohl sie schon seit einigen Generationen in Bulgarien leben, immer noch viel abgrenzen. Selbst für uns Neulinge sind sie gut erkennbar, nicht nur an der dunkleren Hautfarbe, sondern auch an der ärmlichen Kleidung, manchmal auch am Geruch und daran, dass sie sich mit Kutschen fortbewegen. Diesen wird von den Bulgaren (auch schon von den jungen) viel Rassismus entgegengebracht. Dies wirkt sich auch negativ auf die Arbeit der Gemeinde aus. Wird ein Projekt für Kinder oder Jugendliche gestartet und Angehörige beider Volksgruppen kommen, dann gehen die Bulgaren meist sofort wieder oder kommen beim nächsten Mal nicht mehr.
Sollte die Integration und das Zusammenleben weiterhin so auf der Strecke bleiben, wird sich die Situation wohl in Zukunft nur noch verschlimmern. Nicht nur aus dem Grund, dass die Roma um ein vielfaches mehr Kinder bekommen als die Bulgaren und bald einen sehr viel größeren Anteil der Bevölkerung ausmachen werden, sondern auch weil viele junge Bulgaren ins Ausland gehen, um dort bessere Chancen zu haben. Ein Problem das uns so ähnlich schon im Kosovo begegnet ist, wobei es dort aber sogar noch extremer war. Man kann ihnen aber auch keinen Vorwurf machen. Warum sollte man nicht dorthin gehen, wo man Hoffnung auf eine bessere Zukunft hat?

"I thought about going abroad but I was afraid I would not come back" (Ich habe darüber nachgedacht für eine Weile ins Ausland zu gehen aber ich hatte Angst, ich würde nicht zurückkommen).

Katia erklärte, dass sie sehr anpassungsfähig sei und sich schnell an neue Umstände gewöhne. Es mache ihr Angst sie könnte woanders hingehen und vergessen, wie sehr sie ihr Land liebt. Ihr armes, unperfektes, gebrochenes Land. Sie möchte nicht zu den Jugendlichen gehören, die ihr Land aufgeben. Sie möchte bleiben und etwas verändern.


Beim Kidscamp wird getanzt, gespielt, Englisch gelernt, 
Bibelgeschichten erzählt und vieles mehr
Aber wie? Katia arbeitet in der Gemeinde mit und leitet den Lobpreis, besonders am Herzen liegen ihr die bereits erwähnten Kidscamps. Bulgarischen Kindern von der Liebe Gottes zu erzählen und ihnen vorzuleben ist ihr ein großes Anliegen. Kinder haben noch ihr ganzes Leben vor sich und können so viel erreichen wenn sie es für Jesus einsetzen. Sie sind unsere Zukunft und deswegen sollten wir alles daran setzen, ihnen die bestmögliche Zukunft zu ermöglichen. Besonders schwierig für Katia ist es dabei immer, wenn Kinder die von weiter weg kommen, sich für Jesus entschieden haben und nach dem Camp wieder nach Hause fahren und dort im Glauben keine Unterstützung haben. Ohne ein Vorbild ist es für sie, die sie persönlich und im Glauben noch so jung sind, fast unmöglich, an ihrem Glauben festzuhalten.


Auf meine Frage: "If you had one wish for Bulgaria - what would it be?", antwortete sie: "it would be for all children to grow up in a Christian home."

(Wenn du einen Wunsch für Bulgarien hättest - was wäre der?
- dass alle Kinder in einem christlichen Zuhause aufwachsen)

Liebe Grüße,
Anisja

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